Warum lässt er seinen Arm nicht los? Es ist das, was ich tue, um mich zu schützen, wenn ich falle. Der andere hatte ihn doch bereits losgelassen. Er hielt ihn jedoch weiter fest. Ich bin mir sicher, er wollte dem anderen eine Lektion erteilen: Junge, du liegst falsch, wenn du denkst, dass du Freistöße oder Elfer ziehen kannst, indem du meinen Arm packst und dich fallen lässt! Zack! So! Jetzt lasse ich dich mit dem Gesicht voran aufs Gras klatschen, damit du siehst wo deine Stürmerspielchen hinführen!
Ich gestehe, dass ich befangen bin und keinen Neutralitätsmantel habe, den die Journalisten tragen. Ich bin einer von denen, die sehr durch ihn gelitten haben. Nicht einmal. Viele Male.
Ich gestehe auch, dass ich diesem Pfundskerl Tribut zollen muss. Es hat etwas, das mich anzieht. Er ist wie Al Capone. Er hat viel Würde und gleichzeitig etwas Bösartiges. Ja! Aber wenn ich ihn mir genauer ansehe, denke ich, dass seine Gene aus dem Mittelalter gerettet wurden und seine Vorfahren schon echte Ritter waren, bevor sein Adelsgeschlecht Material für den Quijote wurden werden würde.
Ich gestehe, dass es meiner Meinung nach fast zu viel verlangt ist, etwas aufzugeben, das so viel Sicherheit gibt, wie dieser Typ, der pures Selbstvertrauen ausstrahlt. Wer wird nicht von dem angezogen, der am Abgrund steht und drüber lacht? Hinter diesem Gänserich versammeln alle Gänschen und wenn man ihnen zu nah kommt, lernt man den Spaß eines wahren Männchens daran kennen, seine Gruppe zu verteidigen.
Nein! Ich bin wahrlich nicht frei von diesem allzu menschlichen Fehler, so einen Mann zu mögen. Der Fehler ist, nicht verlieren zu wollen. Der Fehler, nicht zu wissen, wie man richtig verliert, weil wir es immer vermieden haben. Der Fehler, nicht zu wissen, wie man mit der Niederlage umgeht. Obwohl Verlieren doch die Regel ist. Dieser stille Schmerz, der dich umfasst. Diese Freude, die wir in Gedanken wie ein Festessen vorbereitet hatten: Im Moment des Sieges würden wir den ersten Bissen in den Mund schieben! Aber dann können wir es nicht genießen. Es schmeckt nicht mal bitter. Es schmeckt einfach nur schimmelig.
Wir alle fallen auf diese Leute rein, die uns vor dem Absturz schützen. Es fühlt sich so sicher bei ihnen an. Er ist einer dieser Charaktere. In meinem Herzensteam gab und gibt es ähnliche Typen. Wir haben mit ihrer schmutzigen Art gewonnen. Egal, ob wir viel oder wenig gewinnen. Ich habe nie geschafft, zu vergessen, wie wir gewonnen haben. Ich kann an nichts anderes denken, wenn ich mich daran erinnere, wie wir den Pokal hochgerissen haben. Ich bitte andere nicht, wie ich zu sein. Aber erwartet auch nicht, dass ich wir ihr denke und es vergesse.
Jedes Mal, wenn er in der Aufstellung steht, kommt die böse Vorahnung. Ich denke, deshalb lieben ihn seine Kameraden so sehr. Er ist der Typ, vom dem alle denken: Ich hoffe, er spielt niemals gegen uns! Ich jedoch kann ihn nicht mehr sehen. Jedes Mal, wenn ich mich an ihn erinnere, kommt die Wut hoch. Ich erinnere mich an alles. Wie er auf den verletzten Fuß eines Gegners tritt, wenn der Ball bereits in der anderen Hälfte ist. Oder wie er einen Ellbogencheck vom Gegenspieler vortäuscht und wie er voller theatralischer Schmerzen über den dem Boden rollt. Dann erlebt er eine sehr christliche Auferstehung und fleht wie ein Bettler den Schiedsrichter an, er möge den Missetäter bestrafen. Und wenn ihm der Schiedsrichter keine Aufmerksamkeit schenkt, wird es den Gegner einen gewissen Prozentsatz an Konzentration kosten, sich nicht zu vergessen und ihm nicht den verdienten Schlag in die Schnauze zu geben. Er hätte ihn sich gerade mit seinem lächerlichen Stück verdient! Und wenn sein Opfer sich nicht zurückhalten kann- umso besser!
Wir haben diese Jungs auch in unserem Team. Es ist also nicht so, dass er sich durch diese Schmierigkeit von anderen abheben würde. Selten aber ist sie mit so viel Talent gesegnet. Er hatte einen viel weniger talentierten Kameraden, der mit seinen jähzornigen Abenteuern einen abscheulichen Ruf erlangte. Eine Ausgeburt an Bösartigkeit war er gerade zu, wenn er auf hingefallenen Spielern herumtrampelte! Dank dieses Kameraden blieb sein unglaubliches Talent für Hinterfotzigkeit unentdeckt und er sah immer wie der jüngere Bruder aus, den sein großer Bruder mit seiner Schlechtigkeit angesteckt hatte. Jetzt aber sieht man, dass der „Größere“ die Verkörperung des Bösen war, das sich auf dem Feld Bahn brach und er das bösere Genie war.
Es ist, was viele Leute einen „Siegertyp“ nennen. Die Leute sind ja nicht dumm. Dieser Charakter gewinnt. Er gewinnt, um zu gewinnen Es ist egal, wie er gewinnt. Gewinnen! Gewinnen! Sowas nennt man Berufskrankheit. Solche Leute entwickeln ein eingeschränktes Gesichtsfeld. Typen wie diese beschneiden sich in einigen Aspekten des Lebens sehr und daher denken sie, sie hätten ein Anrecht auf bestimmte andere Dinge. Sie glauben auch, dass sie es nicht persönlicher Gier tun, sondern aus Notwendigkeit. Es ist eine Sucht. Wie die Händler und die Anleger an der Börse, die sich nicht von ihren Bildschirmen entfernen können. Diejenigen, die es nicht akzeptieren können, eine Million zu verlieren, nachdem sie zu anderen Zeiten zahllose Millionen gewonnen haben. Aus dieser Sucht nach Erfolg entwickelt sich kein gesunder Mensch. Aus dem Siegertypen wird ein Zyniker. Es zeigt sich dann, wenn er sagt, dass sein Rivale hätte weiterspielen können. Obwohl seine Schulter schmerzte. Obwohl sie kaputt war. Er sagt, er hätte sich mit Tabletten betäuben können. Purer Zynismus. Denn es besteht kein Zweifel daran, dass sie im nächsten Luftduell an der gleichen Stelle einen ordentlichen Stoß verpasst hätten. Wenn der Rivale vor lauter Schmerz unter Tränen vom Feld geht, kommt das Lächeln in seinem Rücken. Schwächling. Niemand, der bei Trost ist, würde behaupten, dass dies die Absicht war, als sie gemeinsam fielen. Aber dennoch selbst schuld, wenn er sich fest hält. Und jetzt weint er. Das war vor der Pause.Die Szene nach der Pause erzählt alles. Es gibt keine Notwendigkeit. Es ist kein Zufall. Es ist Absicht. Es ist eine vorsätzliche Handlung. Die Erfahrung so vieler Jahre, wenn er genau weiß, wie er es macht, ohne dass ein Schiedsrichter es sieht. Es passiert im Handumdrehen. Heben Sie Ihren Ellbogen an, lassen sie ihn am Kopf einschlagen und wenn der Betrachter denkt, er hätte da was gesehen, ist der Ellbogen schon wieder da, wo er hingehört. Und der Torhüter, der sich auf den Boden wirft, sieht wie ein schlechter Provokateur aus. Das ist pure Hinterfotzigkeit. Der Torhüter, der sich vor der ganzen Welt blamierte, ging nun zu den Ärzten, weil er sich nicht gut fühlte und irgendwas nicht stimmte. In einer zynischen Weltvorstellung macht er das nur, um sein Gesicht zu wahren. Dies würde alle Schandflecke auf seinem grünen Hemd beseitigen. Obwohl es den Schaden durch von all dem Spott in den Medien nicht ungeschehen machen würde. Nehmen wir an, es sei so und der Ellenbogenschlag war nicht an den Fehlern schuld. Es würde rein gar nichts ändern. Die Absicht ändert sich nicht. Die Fakten ändern sich nicht. Es zählt die absolute Abwesenheit von irgendeinem Grund, seinen Ellbogen in das Gesicht von ihm zu rammen. Es ist diese Haltung von Merkt-schon-keiner, die wir jeden Tag um uns herum sehen. Und dann spielen sie die Wohltätigen und spenden für diejenigen, die in der Welt leiden.
Unser spanischer Gentleman hat diese Heuchelei überwunden und ist schon in der nächsten Stufe angelangt. Viele werden ihn dafür noch ein bisschen mehr lieben. Er lacht schon über seine Opfer. Er leugnet erst gar nicht die Tatsache, ihm seinen Ellbogen ins Gesicht gerammt zu haben. Er lacht darüber, dass der andere zu den Ärzten gegangen ist. Er ist bereits komplett in dieser Welt versackt. Diese Welt, in der das alles eine Show ist. Wir alle wissen es und wir spielen unsere Rolle bis zum Schluss. Leugnen reicht ja auch und so kommt man ungestraft davon.
Und hier beginnt seine Unschuld. Er hat schon immer so gespielt. Man erlaubt es und man bestraft ihn nicht. Im Gegenteil. Sie lobten ihn. Sie setzten ihm einen Lorbeerkranz auf den Kopf. Innerhalb des Zirkels. Draußen spielt man sauberer Sport. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Deshalb glaubt er, dass jeder es tut und Beleidigungen ihn treffen, weil er jetzt der Sündenbock ist. Aber auch nur, weil es Kameras gibt, die ihn sehen.
Tief im Inneren spürt er keine Schuld. Denn so ist das Spiel und er weiß, wie man es gut spielt.
Vielleicht liegt er aber doch falsch. Hoffentlich werden wir es nicht vergessen und wir lassen dieses Verhalten nicht länger zu. Nun … Wenn das nächste Mal unser Stürmer zu leicht das Gleichgewicht verliert, werden wir einen Stich im Herzen spüren, wenn der Elfer verwandelt wird. Und wenn wir den Pokal hochreißen und schreien „We are the Champions!“ ,dann lacht uns der Edelmann von Kiew aus: Ich wusste es!